02 / 06 / 2021 in Fokus Technik & IT
NFT: Was steckt hinter den Millionen-Dollar-teuren JPEGs?
Mehrere Millionen Dollar für ein JPEG ausgeben? Noch vor einem Jahr hätte sich das kaum jemand vorstellen können. Seit ein paar Monaten sorgen jedoch Non-fungible Token (NFT) für jede Menge Aufregung. Die digitalen Sammlerstücke sind heiß begehrt und der letzte Schrei am Kunstmarkt. Was hinter den teils schrillen GIF's und JPEGs steckt und wie die Szene tickt, haben wir NFT-Artist Twerky im Interview gefragt.
Non-fungible Token, kurz NFT, sind seit Beginn des Jahres ein heißes Thema. Der digitale Kunstmarkt boomt und wöchentlich liest man neue Schlagzeilen von digitalen Kunstwerken, welche um mehrere Millionen Dollar versteigert wurden. Was hinter NFT steckt besprechen wir mit Twerky. Der UI-Designer ist seit November 2019 erfolgreich in der digitalen Kunstszene unterwegs. Er nimmt uns mit in die außergewöhnliche und bunte Welt der NFT. Was ihn am digitalen Kunstmarkt begeistert und warum ihm der NFT-Hype mehr Hate als Verkäufe gebracht hat, verrät uns Twerky im exklusiven Interview!
Der Begriff Token wird heute meist mit der Blockchain-Technologie in Verbindung gebracht. Dabei repräsentiert ein Token einen Vermögenswert oder einen Vermögensgegenstand und ist austauschbar (fungibel). Das heißt, jeder Token repräsentiert einen gleichen Vermögenswert. Beispielsweise ist ein Bitcoin momentan rund € 30.000 wert (Stand 02.06.21). Es ist egal, welchen Bitcoin du besitzt, jeder Bitcoin hat denselben Wert. Anders ist das bei NFT (non-fungibel Token). Die Token sind nicht austauschbar und jeder NFT repräsentiert einen konkreten Wert und ist somit einzigartig. NFT sind digitale Assets, von denen es nur eines oder wenige gibt. Dazu gehören zum Beispiel Sammelkarten, virtuelle Grundstücke oder eben digitale Kunstwerke.
Warum ist gerade so ein riesiger Trend rund um NFT entstanden?
Twerky: NFT sind ein neuer Weg, um Kunst zu präsentieren und zu verkaufen. Anstatt dein Gemälde oder Statue in einem Museum auszustellen, „lädst du es in die Blockchain“. Du digitalisierst deine Kunstwerke. So kann deine Kunst weltweit jeder sehen und auch jeder kaufen - und zwar mit Kryptowährung. Besonders dabei ist, dass der Künstler auch wieder mitverdient, wenn sein bereits verkauftes Kunstwerk weiterverkauft wird. Eine derartige Vergütung gibt es offline für Künstler nicht. Das macht NFT besonders.
Sind NFT nur ein Kurzzeit-Hype?
Twerky: Nein, der NFT-Markt wird sich noch weiterentwickeln. Viele große Kunsthäuser sind ebenfalls bereits am Markt. Sie sehen NFT, allerdings mehr als eine Art der Vertragsform. Du bekommst das NFT und anschließend auch das reale Kunstwerk. Generell glaube ich, dass NFT noch über den Kunstmarkt hinauswachsen werden. Der nächste logische Schritt für NFT sind tatsächlich Verträge, beispielsweise für ein Haus.
Ich kann mein Haus als NFT verkaufen?
Twerky: Ganz genau! Ich weiß, das hört sich verrückt an. Aber du kannst aus deinem Haus ein NFT machen und dieses verkaufen. Durch die Blockchain wird das NFT als Vertrag validiert. So bekommst du als Verkäufer dein Geld auch schneller, als über eine Bank. Als Käufer bekommst du das NFT, welches den Vertrag darstellt, und natürlich das echte Haus.
Die NFT-Szene sorgt immer wieder für Aufregung. Anfang März wurde die NFT-Collage „Everdays“ für 69 Millionen Dollar versteigert. Wer ist bereit so viel Geld für digitale Kunstwerke auszugeben?
Twerky: Personen, die auch in Bitcoin und andere Kryptowährungen investiert haben. Sie vertrauen dieser Technologie und sind die Zielgruppe des digitalen Kunstmarktes. Diese Personen haben in den letzten Jahren viel Geld gemacht. Der Großteil der NFT- & Krypto-Community ist allerdings unbekannt. Gerade viele der ersten Bitcoin-Käufer sind echte „Geeks“. Sie stehen nicht gerne in der Öffentlichkeit, sie machen keine Fotos und sind nicht auf Instagram oder Co. unterwegs. Sie bewegen sich online gerne anonym und sind unter sich.
Je mehr das Thema NFT allerdings zum Mainstream wird, desto mehr Personen und Künstler drängen auf den Markt. Viele sehen NFT auch als eine Art Investment. Wenn du nichts mit Kryptowährung zu tun hast, dich aber für Kunst interessierst, sind NFT das Richtige für dich.
Warum kauft man ein digitales Kunstwerk, wenn ich es mir online auch ganz einfach kopieren kann?
Twerky: Personen, welche NFT kaufen, sind der Eigentümer des entsprechenden GIFs oder Bildes. Es gehört Ihnen. Du kannst es dir zwar ansehen und Fotos machen, aber du bist nicht der Eigentümer. Hinter diesem Eigentumsgedanken steckt auch viel Power und Stolz. Außerdem ist es öffentlich, jeder kann sehen, wem das Bild oder GIF tatsächlich gehört und wie viel es wert ist. Du kannst dich nicht fälschlicherweise als Eigentümer von etwas ausgeben, dass dir nicht gehört.
Wer smart ist, verdient mit seinen NFT auch weiterhin Geld. Beispielsweise das „Nyan-Cat-GIF“, welches um 560.000 Dollar verkauft wurde. Der Besitzer kann aus dem Kätzchen-GIF zum Beispiel coole T-Shirts machen und diese an Fans weiterverkaufen.
Es gibt auch eine negative Seite, die in Zusammenhang mit Blockchain steht: Der enorme Energieverbrauch.
Twerky: Blockchain und somit auch NFT benötigen eine extrem hohe Rechnerleistung und haben dadurch einen enorm hohen Energieverbrauch, was wiederum einen negativen Einfluss auf unsere Umwelt hat. Vor ca. zwei Monaten als NFT mehr den Mainstream ansprach, bekam ich dafür auch einiges an heftigen Hate ab. Nutzer beschuldigten mich, ich zerstöre die Welt. Grundsätzlich haben sie damit in gewisser Weise recht, aber ich denke nicht, dass es der richtige Weg ist Künstler dafür anzuprangern.
Nach diesen „Hate“-Angriffen habe ich mich mehr mit dem Thema auseinandergesetzt und meine NFT-Produktion verringert. Um den Energieverbrauch zu minimieren, entwickelt Ethereum momentan auch den „Layer 2“, welcher diesen Sommer released werden soll. Auch meine neue Kollektion „Plushies“ habe ich in „matic“ gemacht, was eine frühe Stufe von Ethereum Layer 2 ist. Damit werden bereits erste Schritte in die richtige Richtung gesetzt, um den Energieverbrauch zu verringern.
Wann hast du mit NFT angefangen?
Twerky: Im letzten November hat mich mein Chef auf NFT und einige Plattformen für digitale Künstler aufmerksam gemacht. Digitale Collagen haben mich allerdings schon immer interessiert. Bevor ich in Richtung User Interface gegangen bin, habe ich mich viel mit Ikonografie beschäftigt. Deshalb sind meine Kunstwerke auch alle Vektor-basiert. Ich mache meine Kunstwerke mit denselben Programmen, mit denen ich täglich arbeite. Und da dachte ich mir, ich probiere es einmal. Vielleicht kann ich etwas verkaufen. Aber am Anfang habe ich nichts verkauft! :D
Warum? Wie bist du schlussendlich erfolgreich geworden?
Twerky: Es ist nicht einfach seine digitale Kunst zu verkaufen. Die Community ist sehr in sich gekehrt und gibt Geld nicht für „Bulls**t“ aus. Aktive Verkaufsförderung oder traditionelle Marketingstrategien vom Künstler haben meist einen negativen Effekt. Du wirst eher ignoriert, als dass jemand deine Kunst kauft.
Ich habe mich bemüht, die Community kennenzulernen, zu verstehen und sehr viel Zeit investiert. Hauptsächlich, weil ich neugierig war und die Szene kennenlernen wollte und nicht, weil ich Geld machen wollte. Ein Crypto-Punks- „Erstkäufer“ hat meine Kunst im Jänner oder Februar via Discord empfohlen. Erst dann wurde ich von der Community als ernstzunehmender NFT-Artist akzeptiert.
Was sind „Crypto Punks“?
Twerky: Crypto Punks sind NFT der ersten Stunde. Heute werden die kleinen digitalen Figuren teuer verkauft. Aber vor fünf oder sechs Jahren wurden sie noch verschenkt, und zwar an jene, die schon sehr lange und etabliert in der Krypto- und NFT-Szene waren. Einer dieser „Ur-Gesteine“ hat meine Kunst dann gesehen und fand sie cool!
Was ist deine Motivation NFT zu machen?
Twerky: Grundsätzlich gefällt mir, dass es ein sehr fairer Markt ist. Wenn du etwas machst, dich bemühst und dein Herzblut hineinsteckst, wird es anderen gefallen. Viele Dinge sehen am ersten Blick vielleicht einfach aus. Aber meist steckt ein ausgeklügeltes Konzept und Leidenschaft dahinter und das ist in der digitalen Kunstszene viel Wert.
Welche Kunstwerke findet man online von dir?
Twerky: Derzeit mache ich Collectibles, so etwas Ähnliches wie Pokemon Cards. Nur eben mit einem tanzenden Frosch. Das macht Spaß. Das ist auch etwas, dass mich motiviert. Die NFT-Community ist mit dem Internet groß geworden. Sie mögen Memes und funny Stuff, die sie an ihre Jugend erinnern. Das ist, was ich mache: Funny Art.
Gibt es die Möglichkeiten seine Kunstwerke online auszustellen?
Twerky: Da gibt es etwas ziemlich Cooles: Cryptovoxels. Das ist eine digitale Ethereum-Welt, in der du dir ein Stück „Land“ kaufen kannst. Das ist allerdings nicht günstig. Ich habe damals ca. 10.000 Euro für ein kleines Stück bezahlt. Dort habe ich ein digitales Museum meiner Kunstwerke errichtet. Das ist wie eine richtige Ausstellung. Potenzielle Käufer kommen in mein digitales Museum und kaufen, was ihnen gefällt.
Das hört sich für Außenstehende schräg an!
Twerky: Das ist es. Es ist verrückt. Sobald du in der Blockchain-Welt bist, ist es wie in Alice Wunderland. Alle ist anders: Geschäfte machen, Marketing, die Denkweise, einfach alles. Blockchain und NFT sind eine der sich am schnellsten ändernden Industrien, in der ich je gearbeitet habe.
Header (c) Twerky | Plushies Collection